Chormusik von Anfang an

Ein kleiner Einblick von der Antike bis ins 19. Jahrhundert

 

Chormusik ist Vokalmusik, die von einem Chor gesungen wird. Chormusik kann einstimmig oder mehrstimmig sein‚entweder mit instrumentaler Begleitung oder a cappella (ohne eigenständige Begleitung). Chöre im heutigen Sinne.also große, oft mit Laien besetzte Gesangsgruppen gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert. Die meiste vor dem Spätbarock entstandene Vokalmusik ist heutigen musikwissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge solistisch aufgeführt worden. gilt heute aber durch die spätere Aufführungstradition oft als "Chormusik".

 

Bereits in der Spätantike entstand eine Art des Vortrags und des gemeinsamen Gesangs bestimmter Texte der lateinischen Messe. die immer mehr einstimmige Melodien mit Texten verknüpfte. Unter Papst Gregor I. wurden diese Gesänge gesammelt und zum heute so genannten gregorianischen Choral kanonisiert (Gregorianik).

 

Weil sich die einzelnen Stimmen auch rhythmisch voneinander emanzipierten, wurden verschiedene Systeme der Notation notwendig. Im 14.Jahrhundert brachte die Ars nova weitere Neuerungen und Verfeinerungen des metrischen Systems‚aber auch neue Gattungen und Formen.Den Abschluss der Epoche bildete die Ars subtilior, die die Verfeinerung und Komplizierung auf die Spitze trieb, bis sich mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts ein völlig neuer Stil durchsetzte.

 

Die Stimmaufteilung war damals noch eine völlig andere als heute. Hauptstimme war der Tenor. dem als Gegenstimme ein Contratenor gegenübergestellt wurde. Dazu kam meist eine tiefere Bassstimme. Höhere Stimmen wurden als Cantus oder Diskantlus) bezeichnet‚auch die Stimmbezeichnung Alt(us) bedeutete. abgeleitet von lat. altus. "hoch"‚ ursprünglich eine hohe Männerstimme. Etwa ab dem Innsbrucklied von Heinrich Isaac (ca. 1450-1517) kann von einem mehrstimmigen A-cappella-Satz gesprochen werden.

 

ln der Renaissancemusik bedeutete a cappella keineswegs, dass keine Instrumente verwendet werden durften. Gemeint war eher, dass alle Stimmen vollständig textiert waren‚so dass keine Instrumente notwendig waren, um den Satz adäquat zu besetzen. Hauptvertreter dieser Musikform waren Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525-1594) und Orlando di Lasso (1534-1594). Die Musik diente hier vor allem als ein Mittel. um Text gestaltet zu präsentieren.

 

Im Laufe des 16. Jahrhunderts begann man, mit der Gegenüberstellung mehrerer Chöre im Raum zu experimentieren. Die Mehrchörigkeit entstand. Ende des 16.Jahrhunderts wurde der Chor zunehmend funktional, vor allem in der Oper. Etwas älter als der A-cappella Satz ist das instrumental begleitete Tenorlied. Das Tenorlied bestand aus einer textierten Melodie. einem cantus firmus‚zu dem als komplexer instrumentaler Kontrapunkt ein deutlich tiefer erklingender Bass sowie zwei Oberstimmen hinzutraten.Diese Form nutzten die Komponisten der Reformationszeit für ihre erbaulich-weltlichen Gesänge. Sie bestanden ebenfalls aus einem cantus firmus‚ zudem weitere Stimmen traten jetzt nicht mehr instrumentale, sondern vollkommen textierte.

 

Im Barock trafen mehrere musikalische Entwicklungen zusammen. die diese Zeit insgesamt zu einem Höhepunkt der Vokalmusik machten. Besonders die evangelische Kirchenmusik erlebte eine Blüte. Im Vordergrund des Früh- und Hochbarock stand die Weitergabe religiöser Inhalte sowie die Vereinigung verschiedener Nationalstile (Italien. Frankreich). Die wichtigste Neuerung des Hochbarock war, dass dem Vokalchor nun erstmals ein selbstständig agierendes Orchester gegenübergestellt wurde.

 

Es entstand die neue Form der Kantate (mit oft weitreichenden Sologesangs-Abschnitten), dagegen rückte die Motette in den Hintergrund. Zu den heute bekanntesten Vertretern dieser Zeit zählen Johann Sebastian Bach. Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel. Zudem war das Spätbarock gleichsam die "Wiege" unseres heutigen Chorverständnisses.

 

Während bei Praetorius Einzelstimmen je nach Bedarf, Geschmack und Möglichkeiten noch solistisch, chorisch oder instrumental besetzt werden konnten. rechnete man nun mit einem festen Chorensemble im heutigen Sinne, auch wenn diese in der Regel noch recht klein waren (überliefert sind etwa 12 Sänger bei Bach).

 

In der Wiener Klassik hatte vor allem die weltliche Chormusik eine geringe Bedeutung‚ da im 18.Jahrhundert die Instrumentalmusik in den Blickpunkt rückte. Allerdings gibt es auch eine ganze Reihe von Opern, in denen der Chor eine Rolle spielt. In der Kirchenmusik wurde allerdings weiterhin anspruchsvolle und umfangreiche Musik für Chor und Orchester geschrieben. Joseph Haydn, WoIfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert und Ludwig van Beethoven komponierten geistliche Werke wie Messen für den liturgischen Gebrauch.

 

Die Chormusik der Romantik war durch die Gattungen Chorlied und Oratorium geprägt Durch die stärker werdende weltliche Ausrichtung der Gesellschaft entstanden viele weltliche Chorlied-Kompositionen‚ zum Beispiel durch Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Friedrich Zelter. Friedrich Silcher und Johannes Brahms. Zum Teil orientierten sich diese Chorlieder in der Melodieführung am Volkslied, in dem die Romantiker Natürlichkeit und Reinheit sahen.

 

Silcher komponierte seine Chorlieder als Volkslieder. Am Ende des 19.Jahrhunderts kam es zu einer massenhaften Gründung von Gesangvereinen. Durch die bürgerlichen Chorvereinigungen; ausgehend von der ersten bürgerlichen gemischten Chorvereinigung Sing»Akademie zu Berlin (gegrt 1791) - Vorläufer der heutigen Philharmonischen Chöre, standen Chöre in einer Größenordnung zur Verfügung die der Kombination mit den vergrößerten symphonischen Orchestern gewachsen waren. Dies nutzten Komponisten wie Giusoeppe Verdi, Max Reger‚ lohannes Brahms, Anton Bruckner, Felix Draeseke und Richard Wagner.

 

Die Normalgröße eines Chors stieg auf etwa 70 bis 120 Sänger, Größere Besetzungen von 300 bis 500 Sängern, wie beispielsweise bei Gustav Mahler, Hector Berlioz, Mendelssohn sind zwar prominente Ausnahmen, waren allerdings auch nicht selten und daher für größere Aufführungen durchaus realistisch. Die Vergrößerung der Chöre hatte auch Auswirkungen auf die Satzstruktur:

 

Die Polyphonie trat in den Hintergrund; ausschweifende Harmonik und extreme Dynamik waren vorrangig. Darüber hinaus gab es nun vermehrt Chorbesetzungen, in denen mehrere oder gar alle Stimmlagen doppelt vertreten waren. Ferner bildeten sich der Frauenchor und der Männerchor heraus. Die eigentliche musikalische Neuerung im 19.Jahrhundert war der Männerchorgesang. Er entstand im Zuge der Umgestaltung des Geisteslebens in der Zeit der Aufklärung. Die volkstümlichen Werte, die zunehmend patriotische Haltung und die Freude am geselligen Kreis standen dabei im Mittelpunkt.

 

ln der Zeit der Romantik {in der ersten Hälfte des 19‚Jahrhunderts} kamen auch wieder die alten Volkslieder zu Ehren. Der unbegleitete vierstimmige Männerchor trat jetzt an die Stelle des von Männern Frauen- und Knabenstimmen getragenen Gesangs. ln Verbindung mit der politischen und sozialen Aufklärung sollte auch die musikalische Volksbildung gefördert werden. Der Chor als Verein mit Satzungen, einem Vorstand. später..mit Fahnen und Pokalen entstand.

 

Carl Friedrich Zelter (1758-1832] und vor allem Friedrich Silcher [1789-1860) haben die musikalische Entwicklung des Chorwesens in dieser Zeit entscheidend mitgeprägt und beeinflusst.

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